Mittwoch, 4. April 2012

Die Stille von Suburbia

Nun sind wir schon über eine Woche im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Täglich erlebe ich unbegrenzte Auswahl im Supermarkt und in Läden, unbegrenzte Entfernungen, unbegrenzte Zeit drinnen oder im Auto ... Nach spätestens einem Tag im Haus muss ich aber raus! Ich laufe viel und gern und erst recht bei dem herrlichen Frühlingswetter derzeit mit Temperaturen um die 16-20 Grad und Sonnenschein. Aber wohin geht man hier spazieren? Da die Verwandschaft fast alle in Vororten lebt (Suburbia), laufe ich mit dem Knirps eben durch diese Nachbarschaften. Diese Vororte sind alle penibel angelegt mit Straßen und Wohnhäusern, mehr nicht. Geschäfte gibt es nicht hier. Ich fragte die Verwandschaft warum das so sei, es würde doch Sinn machen ein kleines Geschäft in so einer großen Nachbarschaft zu haben? Antwort: „Jeder hat ein (oder zwei oder drei) Auto(s) und die großen Supermärkte sind in 10-20 Autominuten zu erreichen. Dort wird oft für die gesamte Woche eingekauft, da braucht man kein kleines Geschäft in der Nähe“. Oft haben einzelne Siedlungen wohlklingende Namen die auf „estate“, „forest“, „hill“, „woods“ oder „park“ enden. Die Namen sind auf repräsentativen Schildern am Anfang angebracht. Es macht mir Spaß durch die breiten Straßen zu laufen und mir die Häuser anzuschauen.
Spaziergang durch Suburbia.

Innerhalb einer Siedlung gibt es strenge Regeln zum Erscheinungsbild der Häuser und der Grundstücke: alle Häuser haben eine ähnliche Farbe, meist grau, weiß, braun oder blau, manchmal grün; die Rasen sind perfekt gemäht, mehrmals in der Woche sollte der Rasen gemäht werden, daher riecht es immer lecker nach frisch gemähtem Gras. Diese Regeln existieren, um das gesamte Erscheinungsbild der Siedlung zu bewahren und den Wert der Immobilien zu halten. Trotzdem sind die Häuser in ganz unterschiedlichem Stil gebaut: von englisch viktorianisch mit Säulen bis hin zu schwedisch anmutend mit Birken im Garten ist alles dabei. Gemeinsam haben alle Grundstücke die strahlend helle breite Einfahrt zur Garage, die Platz für 2-3 Autos bietet. Wenn ich so durch die Straßen von Suburbia laufe ist dem Knirps oft langweilig und er kräht rum. Eigentlich nicht erstaunlich, denn es gibt schlichtweg nichts zu sehen und hören hier. Nichts bewegt sich, alles ist still... zu still. Manchmal geht ein Garagentor auf, es räumt jemand Einkäufe aus dem Auto, ein Hund bellt, ein Rasenmäher brüllt durch die Stille. Dann läuft man an dem Geräusch vorbei und wieder: Stille. Selten sieht man Kinder spielen oder Leute im Garten werkeln. Fast schon unheimlich. Manchmal fühlt es sich an, als ob man durch eine tote Gegend wandert. Wieder habe ich bei Verwandten nachgefragt, ob das immer so sei? Nicht immer aber oft, kam als Antwort. Warum? Die Leute, die hier leben wollen es so. Sie sind hier her gezogen wegen dieser Stille.
Die Nachbarschaft bei den Knirpsengroßeltern.
Ich hatte immer die Wisteria Lane aus Desperate Housewifes im Kopf, wo immer jemand auf der Straße ist und Leute sich ständig zum quatschen treffen, wenn ich an amerikanische Vororte gedacht habe. Hier erlebe ich eine andere Realität. Die Straßenzüge erinnern zwar vom Äußeren her an die Wisteria Lane, die Geschäftigkeit und das Leben hier ist aber sehr sehr viel ruhiger. Ich rede mit dem Knirpsenpapa über die Stille von Suburbia und er meint, dass er froh ist, hier raus zu sein, ihm ist es einfach zu ruhig. Außerdem kommt man wirklich nirgendwo ohne Auto  hin. Diese Abhängigkeit vom Auto ist nicht unser Ding. Ich liebe unser Auto zu Hause, weil es uns bequem zu entfernteren Orten bringt, aber ich liebe auch den Fakt, dass ich zu Geschäften und Freunden einfach laufen oder in öffentliche Verkehrsmittel springen kann. Für eine begrenzte Zeit jedoch ist die Stille von Suburbia ganz angenehm. Muss mir jetzt nur noch eine Unterhaltung für den Knirps einfallen lassen auf diesen Spaziergängen.

2 Kommentare:

  1. Hallo Katrin,
    das war gerade ganz interessant Deine Eindrücke zu lesen. Danke für den Post!

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  2. Danke :) Ist wirklich interessant, diese ganzen Unterschiede zu erleben.

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